Philipp Haymann / Piera Cerny09.06.2020

COVID-19: Brennende Fragen und Antworten rund um das Arbeitsverhältnis

Soll und muss der Arbeitgeber Schutzmassnahmen ergreifen?

Der Arbeitgeber ist im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gehalten, sämtliche Massnahmen zu treffen, welche zum Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers notwendig sind. Er muss dafür sorgen, dass das Coronavirus am Arbeitsplatz nicht verbreitet wird. In erster Linie sind von den Behörden angeordnete Schutzmassnahmen strikte zu befolgen. Zu beachten ist jedoch, dass neben Schutzmassnahmen Behörden oft nur Empfehlungen abgeben und der Arbeitgeber die Situation in seinem Betrieb selbst zu analysieren und alle notwendigen und zumutbaren Massnahmen zu ergreifen hat. Dazu gehört neben den naheliegenden Hygienevorschriften die Anweisung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, bei einem begründeten Verdacht auf eine Ansteckung mit dem Coronavirus der Arbeit fernzubleiben.

Muss der Arbeitgeber den Lohn zahlen, wenn der Arbeitnehmer aus Angst einer Ansteckung mit dem Coronavirus der Arbeit fernbleibt?

Im Grundsatz gilt: Bleibt der Arbeitnehmer ohne entschuldbaren Grund der Arbeit fern, verliert er seinen Lohnanspruch. Erkrankt der Arbeitnehmer am Coronavirus, so darf (und muss) er der Arbeit fernbleiben und hat dafür einen entschuldbaren Grund. In diesem Fall greift für eine beschränkte Dauer die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bzw. in den meisten Fällen die länger andauernden Leistungen der Krankentaggeldversicherung. Besteht lediglich ein Verdacht des Arbeitnehmers, dass er sich mit dem Coronavirus infiziert hat, sollte er einen Arzt kontaktieren und den Arbeitgeber entsprechend informieren, denn der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht verpflichtet, einer (drohenden) Ausbreitung am Arbeitsplatz im Rahmen der Verhältnismässigkeit entgegenzuwirken. Ein möglicher Lösungsansatz wäre die Anordnung von Homeoffice durch den Arbeitgeber. Zu beachten ist jedoch auch, dass eine Ansteckung mit dem Coronavirus – je nach Symptomen – nicht unweigerlich mit einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers gleichzusetzen ist.

Bleibt der Arbeitnehmer nur aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus der Arbeit fern, so besteht in der Regel kein Lohnanspruch. Ist das Fernbleiben vom Arbeitsplatz jedoch anderweitig begründet, z.B. wenn der Arbeitgeber oder die Behörden anordnen, dass der (einzelne) Arbeitnehmer der Arbeit fernzubleiben hat, besteht der Lohnanspruch. Auch andere objektive Gründe, wie z.B. fehlende notwendige Schutzmassnahmen durch den Arbeitgeber können eine Arbeitsverweigerung durch den Arbeitnehmer unter Umständen rechtfertigen (z.B. bei effektiver Ansteckungsgefahr durch einen infizierten Mitarbeiter am Arbeitsplatz).

Welche Massnahmen kann der Arbeitgeber bei nicht begründetem Fernbleiben des Arbeitnehmers ergreifen?

Erachtet der Arbeitgeber das Fernbleiben des Arbeitnehmers vom Arbeitsplatz aufgrund der gegebenen Umstände als unbegründet, so kann der Arbeitnehmer abgemahnt werden, verbunden mit weiteren disziplinarischen Massnahmen bei anhaltender Verweigerung der Arbeitsleistung (z.B. Lohnkürzung und Schadenersatzforderungen). Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber erscheint in einem solchen Fall in aller Regel jedoch nicht gerechtfertigt zu sein. Selbst bei einer bei Fernbleiben des Arbeitnehmers ausgesprochenen ordentlichen Kündigung besteht ein gewisses Risiko für den Arbeitgeber, dass sich die Kündigung als missbräuchlich erweisen könnte. In beiden Fällen droht dem Arbeitgeber eine Strafzahlung in der Höhe von bis zu sechs Monatslöhnen. Zu beachten ist hierbei, dass die Einschätzung der allgemeinen Lage – bis zu einer behördlich verordneten kompletten Stilllegung des Arbeitsalltags – in entscheidendem Umfang stets eine Auslegungsfrage bleiben wird, welche – natürlicherweise – von Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelmässig verschiedentlich beantwortet werden dürfte. Ein Appell an die Selbstdisziplin, von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, scheint deshalb angebracht.

Besteht ein Lohnanspruch des Arbeitsnehmers bei Verhinderung der Arbeitsleistung durch eingeschränkten Verkehr und Gebietsabsperrungen?

Kann der Arbeitnehmer aufgrund von Einschränkungen im öffentlichen Verkehr oder aufgrund einer Gebietsabsperrung durch die Behörden die Arbeit nicht oder nur zu spät erreichen, ist das Fernbleiben bzw. die allfällige Verspätung zwar entschuldbar, der Lohn vom Arbeitgeber aber nicht geschuldet. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Beschränkung im Flugverkehr nicht rechtzeitig aus den Ferien zurückkehren kann.

Zur Vertiefung der mit diesem Thema verbundenen Fragen steht Ihnen unser Team gerne zur Verfügung.