Piera Cerny / Manuel Bearth01.12.2019

Neuerungen im Verjährungsrecht in Kraft ab 01.01.2020


Das Verjährungsrecht regelt, innert welcher gesetzlicher Frist die Forderung eines Gläubigers gegenüber einem Schuldner durchgesetzt werden kann. Nach Ablauf der Verjährungsfrist darf der Schuldner die Leistung verweigern, weshalb dieser Thematik in der Praxis grosse Bedeutung zukommt.

I. Neuerungen bei der Verjährungsregelung im OR

1. Verjährungsfristen und Beginn der Verjährung
Im Rahmen der Gesetzesrevision kam es in erster Linie zu einer Verlängerung der sog. relativen Verjährungsfrist bei der Deliktshaftung (revArt. 60 Abs. 1 OR) und der Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung (revArt. 67 Abs. 1 OR) von bisher einem auf neu drei Jahre; d.h. der Gläubiger kann die Forderung aus unerlaubter Handlung sowie ungerechtfertigter Bereicherung neu während drei Jahren gegen den Schuldner durchsetzen, bevor dieser ihm die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann.

Ganz neu eingeführt wird eine relative Verjährungsfrist von drei Jahren für die vertragliche Haftung bei Tötung oder Körperverletzung; die absolute Verjährungsfrist beträgt 20 Jahre (revArt. 128a OR).

Hinsichtlich dem Beginn der absoluten Verjährungsfrist wird in Fällen der fortgesetzten Schädigung die bereits geltende Lehre und Rechtsprechung ins Gesetz übernommen, d.h. bei wiederholter oder dauerhafter schädigender Handlung beginnt die absolute Verjährungsfrist erst mit dem letzten Tag der schädigenden Handlung oder mit dem Tag, an dem das schädigende Verhalten aufhört (revArt. 60 Abs. 1bis OR).

In Bezug auf den Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung der im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung entstanden ist, wird auch hier die schon geltende Praxis ins Gesetz übernommen; d.h. dieser verjährt frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Ist jedoch ein strafrechtliches Urteil ergangen, so verjährt der zivilrechtliche Anspruch frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit der Eröffnung des Urteils (revArt. 60 Abs. 2 OR).

Die allgemeinen Verjährungsfrist der Vertragshaftung von zehn Jahren bleibt unverändert (Art. 127 OR). Zu beachten ist dabei aber stets die kürzere Fünfjahresfrist die Verjährung von Forderungen aus z.B. dem Arbeitsverhältnis, dem Mietverhältnis, aus Darlehensvertrag, Handwerksarbeit oder dem Anwaltsmandat (Art. 128 OR).

2. Stillstand der Verjährung
Der in revArt. 134 Abs. 1 OR enthaltene Katalog mit Gründen, aus welche die Verjährung still steht oder gar nicht erst beginnt, wird mit der Gesetzesrevision erweitert.

Neu ruht die Verjährungsfrist insbesondere auch während der Dauer von Vergleichsgesprächen, eines Mediationsverfahrens oder anderen Verfahren zur aussergerichtlichen Streitbeilegung, sofern die Parteien dies schriftlich vereinbaren (neue Ziff. 8).

Daneben steht gemäss neuer Ziff. 7 die Verjährung auch für Forderungen des Erblassers oder gegen diesen während der Dauer des öffentlichen Inventars still.

3. Unterbrechung der Verjährung
Betreffend Verjährungsunterbrechung wird die Wirkung der Unterbrechung unter Mitverpflichteten (revArt. 136 OR) konkretisiert. Demnach gilt neu die bisher umstrittene Regelung, dass die Unterbrechung gegen einen Solidarschuldner oder Mitschuldner einer unteilbaren Leistung auch gegenüber den übrigen Mitschuldnern wirkt, sofern diese auf eine Handlung des Gläubigers zurückzuführen ist.

Im gesamten Haftpflichtrecht gilt damit nun, dass die Unterbrechung gegenüber dem Versicherer auch gegenüber dem Schuldner (bzw. umgekehrt) gilt, sofern ein direktes Forderungsrecht gegen den Versicherer besteht.

4. Verjährung des Regressanspruchs
Neu wird in revArt. 139 OR die Verjährungsfrist von Regressansprüchen unter Solidarschuldnern auf drei Jahre ab Befriedigung des Gläubigers und Kenntnis des Mitschuldners festgesetzt.

5. Verjährungsverzicht
RevArt. 141 OR, welcher den praxisrelevanten Verjährungsverzicht regelt, wurde ebenfalls konkretisiert. Die revidierte Norm sieht vor, dass ein solcher Verjährungsverzicht erst ab Beginn der Verjährungsfrist möglich ist und der Verzicht höchstens für zehn Jahre erklärt werden kann (revArt. 141 Abs. 1 OR). Die Verzichtserklärung muss dabei in schriftlicher Form erfolgen und die Unterschrift des Verzichtenden beinhalten (revArt. 141 Abs 1bis OR).

Sofern ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Versicherer besteht, kann der Verjährungsverzicht auch dem Versicherer entgegengehalten werden und umgekehrt (revArt. 141 Abs. 4. OR).

II. Die angepassten Bestimmungen im Gesellschaftsrecht, SchKG und SVG

Die oben genannten Änderungen im Allgemeinen Teil des Obligationenrechts haben zu einer Reihe von Anpassungen von Verjährungsbestimmungen in anderen Rechtsgebieten geführt:

Gesellschaftsrecht:
Für die Haftung aus Verantwortlichkeit im Gesellschaftsrecht werden die oben erläuterten Konkretisierungen zum Beginn der absoluten Verjährungsfrist im Deliktsrecht (revArt. 60 Abs. 1 OR) und die Spezialregelung zu Zivilansprüchen in Zusammenhang mit strafbaren Handlungen (revArt. 60 Abs. 2 OR) übernommen (revArt. 760 OR und revArt. 919 OR).

Daneben wird die Verjährungsfrist für den Rückgriff der Genossenschafter unter sich von einem auf drei Jahre verlängert (revArt. 878 Abs. 2 OR).

Schuldbetreibungs- und Konkursrecht:
Die Verjährungsfristen für Schadenersatzansprüche gegenüber dem Kanton wird ebenfalls von einem auf drei Jahre verlängert (revArt. 6 SchKG) und die Frist für die paulianische Anfechtungsklage beträgt neu drei anstatt zwei Jahre (revArt. 292 Abs. 1 SchKG).

Strassenverkehrsgesetz:
Die Verjährung für Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche aus Unfällen mit Motorfahrzeugen, Fahrrädern und fahrzeugähnlichen Geräten wird neu vollständig den deliktsrechtlichen Bestimmungen angepasst (revArt. 83 Abs. 1 SVG). Die obgenannten verlängerten Verjährungsfristen im Deliktsrecht (revArt. 60 OR) gelten mithin neu auch für Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche aus Unfällen im Strassenverkehr.

Der Rückgriff unter den Haftpflichtigen aus einem Unfall mit Motorfahrzeugen verjährt neu nicht schon nach zwei, sondern ebenfalls erst nach drei Jahren ab Erbringung der vollständigen Leistung und Bekanntheit des Pflichtigen (revArt. 83 Abs. 2 SVG).

III. Übergangsbestimmungen

Die neu verlängerten Verjährungsfristen gelten für alle Forderungen, die bei Inkrafttreten der Revision am 1. Januar 2020 noch nicht verjährt sind (revArt. 49 Abs. 1 SchlT ZGB). Es findet folglich für viele Forderungen eine Verlängerung der Verjährung statt. Nur wenn das revidierte Verjährungsrecht für bestehende Forderungen eine kürzere Frist vorsieht, gelten die bisherigen Verjährungsfristen weiter (revArt. 49 Abs. 2 SchlT ZGB). Der Zeitpunkt, in welchem die Frist zu laufen beginnt, ändert sich für bereits bestehende Forderungen nicht (revArt. 49 Abs. 3 SchlT ZGB).

Die übrigen Neuerungen haben Geltung ab Inkrafttreten, wobei das Rückwirkungsverbot beachtet wird (revArt. 49 Abs. 2 SchlT ZGB). Beispielsweise bleibt somit eine Verjährungsverzichtserklärung nach altem Recht gültig, auch wenn sie nach neuem Recht in dieser Form nicht mehr zulässig ist.