Eva Gut / Jonas Stüssi / Larissa Horat19.05.2021

Urteil des Bundesgerichts zur unentgeltlichen Rechtspflege

Für die Vorbereitung eines sich als notwendig erweisenden, umfangreichen und äusserst komplexen handelsgerichtlichen Verfahrens betreffend die Rückabwicklung eines Asset Deals über ein Unternehmen mit 16 Niederlassungen waren die von STAIGER vertretenen Kläger auf unentgeltliche Rechtspflege angewiesen. Das entsprechende Gesuch wurde vor Eintritt der Rechtshängigkeit des geplanten Klage- und Massnahmeverfahrens beim Einzelgericht des Bezirksgerichts Zürich gestellt und von diesem beschränkt auf die Vorbereitung des Klageverfahrens und auf einen der beiden beantragten unentgeltlichen Rechtsvertreter gutgeheissen. Im verbleibenden Umfang (Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für die Vorbereitung des Massnahmeverfahrens sowie die Einsetzung einer zweiten unentgeltlichen Rechtsvertreterin) mussten die beiden weiteren Instanzen angerufen werden.

Das Bundesgericht hat nun im diesbezüglich ergangenen Urteil 4A_492/2020 mehrere generell interessante Fragen zur unentgeltlichen Rechtspflege entschieden. Diese werden nachfolgend im Sinne eines leicht vereinfachten und auf ihre Essenz reduzierten Überblicks dargestellt. Der ganze Entscheid ist hier abrufbar.

Vor- und Zwischenentscheid

Das Bundesgericht hielt einleitend fest, dass ein Entscheid über die unentgeltliche Rechtspflege hinsichtlich eines künftigen Hauptverfahrens als selbstständig eröffneter Vor- und Zwischenentscheid dieses künftigen Verfahrens und – entgegen der Rechtsmittelbelehrung der Vorinstanz – nicht als ein davon unabhängiger Endentscheid zu qualifizieren sei. Entsprechend seien für eine Beschwerde ans Bundesgericht die Voraussetzungen von Art. 93 BGG zu erfüllen – was für den vorliegenden Fall im Umfang der Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege ohne Weiteres bejaht wurde (E. 1.2).

Vor Rechtshängigkeit eingereichtes Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege

Die Beschwerdeführer hatten unter anderem die unentgeltliche Rechtspflege für die Vorbereitung eines Gesuchs um vorsorgliche Massnahmen beantragt. Diesbezüglich war das Obergericht Zürich zum Ergebnis gelangt, dass diese Aufwendungen nicht Gegenstand eines vorprozessualen Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege sein könnten. Vielmehr müsse ein entsprechendes Gesuch gleichzeitig mit dem Massnahmebegehren eingereicht werden.

Das Bundesgericht qualifizierte diese vorinstanzliche Auffassung aber als klar bundesrechtswidrig und folgte damit der Argumentation der Beschwerdeführer vollumfänglich. Unter Verweis auf den eindeutigen Wortlaut von Art. 119 Abs. 1 ZPO («Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann vor oder nach Eintritt der Rechtshängigkeit gestellt werden.») wies das Bundesgericht auf die Vorteile hin, die ein vorprozessual eingereichtes Gesuch mit sich bringt: Insbesondere könne sich der Gesuchsteller damit früh Klarheit über das finanzielle Verfahrensrisiko verschaffen, ohne bereits eine allenfalls mit erheblichen Kosten verbundene vollständige Klageschrift erstatten zu müssen. Indem die Vorinstanz die Beschwerdeführer darauf verweise, ihr Gesuch zusammen mit der Rechtsschrift einzureichen, nehme sie ihnen das Recht auf diesen Vorteil, so das Bundesgericht (E. 3.2 und 4.3). Die Beschwerde wurde in diesem Punkt gutgeheissen.

Da das Obergericht Zürich unter dieser falschen Prämisse seine Zuständigkeit verneint hatte und nicht auf das Gesuch eingetreten war, wies das Bundesgericht die Sache zur neuen Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit an die Vorinstanz zurück. Angesichts des vorgängig bereits seitens des Handelsgerichts Zürich erfolgten Nichteintretens mangels sachlicher Zuständigkeit gab das Bundesgericht aber hierfür mit klaren Worten zwischen den Zeilen eine Leitplanke vor: Ein negativer Kompetenzkonflikt sei im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien möglichst zu vermeiden (E. 4.5).

Einsetzung mehrerer Rechtsvertreter als unentgeltliche Rechtsbeistände

Aufgrund der sachverhaltlichen und rechtlichen Komplexität sowie des Volumens des einzuleitenden Gerichtsverfahrens hatten die Beschwerdeführer die Einsetzung von zwei Rechtsvertretern als unentgeltliche Rechtsbeistände beantragt. Dieser Antrag war von der Vorinstanz abgewiesen worden.

Das Bundesgericht erblickte darin keine Bundesrechtsverletzung. Es führte aus, es stehe den Parteien nicht frei, sich mehrere Rechtsvertreter als unentgeltliche Rechtsbeistände gerichtlich beigeben zu lassen. Massstab sei stets die streng zu beurteilende Notwendigkeit mehrfacher anwaltlicher Vertretung. Vorliegend erachtete das Bundesgericht die mehrfache Vertretung ohne inhaltliche Begründung nicht als notwendig (E. 5.4). Die Beschwerde wurde daher in diesem Punkt abgewiesen.